Aktuelles

Vorstudie zum Nationalsozialismus präsentiert

Die Erforschung der jüngeren Geschichte kommt voran: Autor Martin Stöber (Mitte) vom Niedersächsischen Institut für Historische Regionalforschung und Franz Rainer Enste (rechts) als Leiter des Wedemärker Koordinationskreises präsentieren Bürgermeister Helge Zychlinski die mit Spannung erwartete Vorstudie über die Geschichte der Wedemark von 1930 bis 1950. Foto: S. Littkemann
Die Erforschung der jüngeren Geschichte kommt voran: Autor Martin Stöber
(Mitte) vom Niedersächsischen Institut für Historische Regionalforschung und
Franz Rainer Enste (rechts) als Leiter des Wedemärker Koordinationskreises
präsentieren Bürgermeister Helge Zychlinski die mit Spannung erwartete
Vorstudie über die Geschichte der Wedemark von 1930 bis 1950. Foto: S. Littkemann

Wedemark (lit). Der erste Schritt hin zu einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeit von etwa 1930 bis 1950 auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Wedemark ist getan: Der renommierte Historiker Martin Stöber vom Niedersächsischen Institut für Historische Regionalforschung aus Hannover und Dr. Franz Rainer Enste aus Brelingen haben jetzt Bürgermeister Helge Zychlinski eine 50 Seiten starke Voruntersuchung übergeben. „Wir haben die Quellen- und Literaturbasis zur Erforschung der Lokalgeschichte von 1930 bis 1950 ermittelt, erste Archivrecherchen durchgeführt und geben Empfehlungen zur Umsetzung von möglichen Forschungsvorhaben“, erklärte Stöber. Ziel der Vorstudie sei es, den fast ausschließlich ehrenamtlich tätigen Geschichtsforschern im Projekt eine wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlung mit auf den Weg zu geben. Man komme jetzt sozusagen von der analytischen in die operative Phase des Projektes. „Wer macht was, wer sichtet welche Archive, wer besucht Gedenkstätten, wer befragt Zeitzeugen – diese und andere Aufgaben kann man jetzt verteilen und konkret angehen“, sagte Stöber. Dankbar für diese professionelle Vorarbeit zeigte sich nicht nur Zychlinski, sondern auch Enste selbst, der als Koordinator eines rund 20-köpfigen Arbeitskreises das weitere Vorgehen plant und organisiert. Das Projekt habe sich als komplexer herausgestellt als anfangs gedacht, sagte der ehemalige Regierungssprecher und lobte den Bürgermeister: Auf seine Initiative hin sei die Erforschung der Nazizeit in der Wedemark überhaupt erst angestoßen worden. „Es zeugt von geschichtlicher Verantwortung, sich diesem Thema zu stellen, und es ist hochaktuell“, meinte Enste. Wie sei man während der Zeit der Nazidiktatur mit Andersdenkenden umgegangen, wie mit jüdischen Bürgern, welche Verfolgungsschicksale gab es? Gab es überhaupt jüdische Familien in diesem ländlichen Raum? Wie ist man mit Flüchtlingen und Kriegsgefangenen umgegangen? Es gebe viele Fragen und bislang fast keine Antworten. Erschwerend komme hinzu, dass die Wedemark im Untersuchungszeitraum 1930 bis 1950 als eigenständige Kommune noch gar nicht existierte und damit auch kein Gemeindearchiv aufgebaut werden konnte. Die Wedemark – das waren vor allem kleine Bauernschaften und Orte, die bis zur Gebietsreform 1974 zum Landkreis Lüneburg gehörten. Zwei bis drei Jahre hat das Team um Franz Rainer Enste nun Zeit, die historische Lücke mit neuen Erkenntnissen zu schließen und Licht in das Dunkel der Nazizeit und ihrer Anfänge zu bringen. Die erste Resonanz auf die nun vorgelegte Vorstudie fiel bei den Mitgliedern des Koordinationskreises durchweg positiv aus, wie Enste berichtete. Dazu ­zählen neben der Gemeinde Wedemark das Gymnasium Mellendorf mit dem Fachbereich Geschichte, die Historische Arbeitsgemeinschaft Wedemark, der Arbeitskreis Regionalgeschichte Neustadt, das Richard-Brandt-Heimatmuseum in Bissendorf und die Gedenkstätte Ahlem. „Alle lesen jetzt erst einmal gründlich die Vorstudie und gehen in sich“, sagte Enste. Spätestens im Mai werde sich der Koordinationskreis erneut treffen und entscheiden, wer welche Aufgaben übernehme. Besonders engagiert sei das Gymnasium ­Mellendorf, dem bereits jetzt mit seinem Projekt Zeitzeugenbefragung und Flüchtlingsschicksale nach 1945 ein interessanter Brückenschlag zur heutigen Situation in der ­Wedemark gelungen sei. Die Schülerinnen und Schüler eines Geschichte Leistungskurses hatten sich sogar eine Woche lang in der Gedenkstätte Ahlem in der Technik der Zeitzeugenbefragung schulen lassen, um anschließend Zeitzeugen ­befragen zu können. Die Ergebnisse sollen am 23. März der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Besonders stolz ist Enste auf eine geplante modellhafte Kooperation zwischen dem Gymnasium Mellendorf, der ­Gedenkstäte Ahlem und dem Niedersächsischen Institut für Regionalforschung, die im ­nächsten Schuljahr mit einem weiteren Geschichtsprojekt­ ­startet: Dieses Mal soll es um­ ­jüdische Bürger vor und während der Zeit des Nationalsozialismus gehen.

mehr zeigen

dazu passende Artikel

Lesen Sie auch...

Close