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Bürgermeister Zychlinski keilt zurück

 Sommerferien!  Auf dem Campus W herrscht Ruhe in diesen Tagen. Foto: S. Littkmann
Sommerferien! Auf dem Campus W herrscht Ruhe in diesen Tagen. Foto: S. Littkmann

Wedemark (lit). In der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause gerieten CDU-Ratsfrau und Landtagsabgeordnete Editha Lorberg und Bürgermeister Helge Zychlinksi heftig aneinander. Die beiden Kontrahenten lieferten sich zu vorgerückter Stunde vor einem leicht verstörten Publikum ein heftiges Wortgefecht zum Thema Schule. Ins Rollen kam die Kontroverse, als Lorberg am Ende einer langen Tagesordnung eine CDU-Anfrage zur Schullandschaft in der Wedemark verlas und dabei heftig in Richtung Bürgermeister austeilte. Auf die Sorgen und Nöte der Eltern und Kinder der auslaufenden Berthold-Otto-Schule (BOS), die ihm zu Beginn der Ratssitzung ein Protestplakat überreicht hatten, sei Zychlinski nicht eingegangen, er habe lediglich eine Art „Regierungserklärung“ abgegeben und den Eltern eine Mogelpackung verkauft, schimpfte Lorberg. Den Eltern werde mit dem Abschaffen der Förderschule Lernen eine wichtige Wahlmöglichkeit genommen – künftig müssten alle Kinder mit Förderbedarf Lernen die IGS besuchen, die personell nicht genügend gerüstet sei für diese Aufgabe. Die Infrastruktur an den auslaufenden Schulen werde dagegen kaputt gemacht. ­Gleiches gelte für das Auslaufen der Konrad-Adenauer-Schule. Durch die angespannte Raumsituation im Schulcampus W müssten die Schülerinnen und Schüler der Hauptschule ihre angestammten Schulräume verlassen und würden damit zusätzlich belastet. Heftige Kritik äußerte Lorberg auch an der rot-grünen Landespolitik, die mit dem neuen Schulgesetz die Integrierten Gesamtschulen zu Regelschulen aufgewertet hat, so dass damit andere Schulformen ersetzt werden können (wobei ein Gymnasium unter zumutbaren Bedingungen erreichbar bleiben muss). „Wird die IGS Wedemark zur ersetzenden Schule und wenn ja, wann?“, fragte Lorberg den Bürgermeister und mutmaßte weiter: „Sie sind auf dem Weg zur Einheitsschule!“ Die Gemeindeverwaltung müsse endlich geordnete und verlässliche Strukturen für die Schullandschaft in der Wedemark schaffen. Das war ein Rundumschlag zur Schulpolitik, den Zychlinski unerwartet heftig parierte und sich viel Zeit dafür nahm. „Liebe Frau Lorberg“, giftete der Bürgermeister sichtlich erregt, „Sie haben hier extrem falsche Dinge behauptet, die ich jetzt gerne geraderücke!“ Ängste und Sorgen von Eltern, Schülern und Lehrern behebe man nicht dadurch, dass man sie weiterhin mit Halb- und Unwahrheiten schüre. Fakt sei, dass die Inklusion völkerrechtlich bindend sei und erstmalig 2013 mit einem Schulgesetz auch in Niedersachsen geregelt worden sei. Dieser von CDU, SPD und FDP gemeinsam getragene Kompromiss habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass künftig alle Kinder einen Zugang zum Regelschulsystem erhalten und sehe auch vor, dass bestimmte Förderschulen sukzessive geschlossen werden. „Sie haben doch die Inklusion mit beschlossen!“, rief der Bürgermeister Lorberg empört zu. Inklusion bedeute, dass alle Schulen einschließlich der Gymnasien Kinder mit Behinderungen beschulen müssten, wenn die Eltern dieses wollten. Die Integrierten Gesamtschulen seien aber bislang am erfahrensten mit den Anforderungen der Inklusion, das sage schon der Name. Die Gemeinde müsse die räumlichen und sachlichen Voraussetzungen für die inklusive Beschulung schaffen, das Land stelle das gesamte pädagogische Personal und werde noch deutlich mehr Förderschullehrkräfte an den Regelschulen einstellen. „Wir investieren hier alles, was wir können, um die Inklusion zum Erfolg zu führen!“, erhitzte sich der Bürgermeister weiter und nannte als Beispiel die Anpassung der Akustik an der IGS. Auch die Berthold-Otto-Schule werde bei diesem Prozess mitgenommen. „Wir unternehmen nichts gegen den Willen der Schule“, sagte Zychlinski und betonte, dass jedes Kind, das heute an der BOS beschult werde, dort seine Schullaufbahn auch beenden könne. Fakt sei jedoch auch, dass es auf Dauer nicht möglich sei, zwei parallele Bildungssysteme zu unterhalten. Tatsache sei auch, dass die IGS die größte Akzeptanz bei den Eltern in der Wedemark hätte, auch bei den Eltern von Kindern mit Förderbedarf. „Die meisten Kinder sind doch früher gegen den Wunsch der Eltern auf einer Förderschule angemeldet worden!“ Die CDU habe die IGS dennoch nicht gewollt und sich 2008 gegen den Elternwillen gestellt. „Auch beim Neubau des Schulzentrums haben Sie gebremst und es für überdimensioniert und zu teuer gehalten“, konterte Zychlinski, „und heute beklagen Sie eine angespannte Raumsituation auf dem Schulcampus!“ „Vieles von dem, was Sie heute haben wollen, haben Sie damals nicht mit beschlossen! Gehen Sie in sich und schauen Sie in die Historie“, donnerte Zychlinski, der sich in Rage geredet hatte. Lorberg versuchte sich derweil mit Zwischenrufen Luft zu verschaffen und wurde im Gegenzug mehrfach von Zychlinski aufgefordert, ihm zuzuhören. Auch Ratsvorsitzender Heiner Peterburs drohte schließlich mit einem Abbruch der Sitzung, sollten sich die Gemüter nicht beruhigen. Im Tonfall gemäßigter widersprach der Bürgermeister schließlich dem Vorwurf, die „Einheitsschule“ anzustreben. „Die Diskriminierung der IGS ist nun mit dem Schulgesetz endlich beendet worden!“ Die IGS habe sich längst bewährt und könne endlich ersetzende Schulform sein. „Wir sind jetzt von der Pflicht befreit, eine Hauptschule führen zu müssen!“ Zychlinski erinnerte daran, dass die CDU 2012 sogar beschlossen habe, dass die neu eingeführte Oberschule Haupt- und Realschule ersetzen dürfe. „75 Prozent der Schüler der IGS haben einen erweiterten Abschluss erhalten – das zeigt die Qualität dieser Schule!“ Für den kommenden 5. Jahrgang werde jeder Schüler aus der Wedemark, der das wünsche, auch einen Platz an der IGS erhalten, antwortete Zychlinski auf eine weitere Frage Lorbergs. Mit Gymnasium, IGS und Realschule habe man eine dauerhafte und verlässliche Schullandschaft in der Wedemark erreicht, schloss Zychlinski die Beantwortung der CDU-Anfrage ab. „Mit diesen drei weiterführenden Schulen werden wir in die Zukunft gehen, und wir dürfen stolz auf diese Schullandschaft sein!“ Unter zustimmendem Klopfen der SPD-Fraktion und der Grünen im Rat wünschte sich der Bürgermeister am Ende seines sehr emotionalen Plädoyers eine schulpolitische Debatte, die nicht mehr ideologisch geführt werde, sondern sachlich.

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