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Ratssitzung stand im Zeichen der Windkraft – Bürgermeister setzt sich über die Bedenken der Bürger hinweg

Auf der Bildmontage von Manfred Kleinke sind angenommene Windräder zu sehen. Ein Tragschrauber markiert den Punkt der angenommenen Höhe der zu erwartenden Windräder am Ortsrand von Brelingen.
Auf der Bildmontage von Manfred Kleinke sind angenommene Windräder zu sehen. Ein Tragschrauber markiert den Punkt der angenommenen Höhe der zu erwartenden Windräder am Ortsrand von Brelingen.

Mellendorf/Brelingen (lit). Die Tagesordnung war übervoll – dennoch dominerte ein Thema den langen Abend am 7. Dezember im Forum des Schulzentrums: die geplanten Windenergieanlagen zwischen Brelingen und Wiechendorf und das damit verbundene Vorranggebiet Windenergie im Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP). Die Mehrheit des Rates stimmte wie berichtet, den Änderungswünschen der Gemeinde zum Entwurf des RROP zu und machte damit den Weg frei für das umstrittene Vorranggebiet und einen dadurch erst möglichen Windpark südlich von Brelingen. Doch zunächst sollte es eine Einwohnerfragestunde geben, die nicht, wie von der Gemeindeordnung vorgesehen und vom Ratsvorsitzenden Heinz Peterburs angemahnt, eine halbe Stunde, sondern über eine Stunde dauerte und zeitweise wie ein öffentlich ausgetragener Disput wirkte. Zahlreiche Brelinger waren gekommen, um der Ratsversammlung und dem Bürgermeister Helge Zychlinski ihre Sorgen und Argumente gegen einen Windpark vor ihrer Haustür vorzutragen und ließen sich dabei auch vom Zeitdruck nicht beirren. Der Bürgermeister bleib seinerseits unbeirrt, knöpfte sich jeden Einwand vor und ließ am Ende fast nichts gelten: Alle vorgetragenen Argumente gegen den avisierten Standort für die rotierenden Riesen wies er zurück oder erklärte sie für schlicht falsch. So äußerte die Brelingerin Maria Cutrone die Sorge, dass die gesundheitlichen Gefährdungen durch den so genannten Infraschall bei Windrädern noch nicht hinreichend untersucht worden und dass in Dänemark aus diesem Grund zahlreiche Planungen für Windparks gestoppt worden seien. In Dänemark stagniere die Windkraft keinesfalls, auch wenn sich einzelne Kommunen dagegen entschieden hätten, konterte der Bürgermeister. Und: Ja, es gebe durch Windräder erzeugten Infraschall, aber keine einzige Studie, die negative Auswirkungen für die Gesundheit belege. Auf die Frage von Cutrone, wie es zu dem im RROP festgelegten Mindestabstand von 800 Metern bis zur nächsten Ortschaft gekommen sei, antwortete der Bürgermeister, dass die Region verpflichtet sei, der Windenergie substantiellen Raum zu geben und man nicht über eine Abstandregelung die Windkraft in der Region faktisch verhindern dürfe. Dann drohe im Übrigen eine unkontrollierte Bebauung der Landschaft mit Windrädern. Der Abstand von 800 Metern sei von der Region so gewählt, dass nach Maßgabe aller zugrunde gelegten Kriterien genügend Standorte für Vorranggebiete übrig blieben und dennoch gesundheitliche Gefährdungen für Menschen ausgeschlossen seien. Damit konnte der Bürgermeister die vielen Skeptiker im Saal, die sich einen deutlich größeren Abstand zu Siedlungen gewünscht hätten, allerdings nicht überzeugen. Dafür hatte der Bürgermeister, der sich selbst entschieden zu dem Projekt Bürgerwindpark bekannte, in der sich anschließenden Abstimmung über das RROP eine zwar knappe, aber seltene Mehrheitskonstellation hinter sich: Die CDU-Ratsmitglieder Martin Schönhoff und Christiane Lüßmann stimmten anders als die übrige CDU-Fraktion für den RROP Entwurf. „Wir fühlen uns dem Gedanken der Energiewende verpflichtet und halten das Gebiet südlich von Brelingen durchaus für geeignet“, erklärte Schönhoff und fügte mit sichtlich bewegter Stimme hinzu, dass er selbst kein Problem damit hätte, vor seinem Haus auf Windräder zu schauen. Genau andersherum machte es die Brelinger Ortsbürgermeisterin Christiana Böttcher und SPD-Ratsfrau: Sie stimmte mit dem Großteil der CDU, der FDP und der WGW gegen den Entwurf. FDP-Ratsherr Erik van der Vorm forderte mit Hinweis auf das „Schutzgut Mensch“ einen Mindestabstand für Windenergieanlagen von einer zehnfachen Nabenhöhe – das entspreche bei 150 Metern Nabenhöhe einem Abstand von 1.500 Metern zur nächsten Siedlung. Nur so könne man gesundheitliche Auswirkungen durch Schall und Schattenwurf sicher ausschließen. Einem gleichlautenden Antrag erteilte die rot-grüne Ratsmehrheit erwartungsgemäß eine Absage. Auch der Vorstoß der CDU-Fraktion, Windenergieanlagen in Landschaftschutzgebieten zu erlauben – bisher in Niedersachsen nicht zulässig – fand nicht die erhoffte Mehrheit, ebenso wenig der CDU-Antrag, Wald als Ausschlusskriterium für Windenergieanlagen zu streichen. Ähnlich sah es Ratsherr Patrick Cordes (WGW): Die Vorgaben des Landes, nicht im Wald oder entlang der Autobahnen mit entsprechendem Abstand zur Wohnbebauung Windkraftanlagen zu genehmigen, seien nicht nachvollziehbar. „Neue Windparks, die bis auf 800 Meter an die Ortschaften herankommen, sind für eine Wohlfühlgemeinde nicht tragbar!“, meinte der Brelinger. Ein nicht akzeptables Missverhältnis sei es, dass das RROP für Vögel wie den Rotmilan deutlich größere Abstände vorschreibe als für den Menschen, monierte überdies Ratsherr Holger Bleich für die CDU im Rat. Das wiederum hielt der grüne Ratsherr Wilhelm Lucka für ein Scheinargument: Menschen müssten schließlich nicht wie Vögel davor bewahrt werden, in die Rotorblätter der Windräder zu fliegen.

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