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Der Pharmazie-Student Taisier Alzuabi lebt in Wennebostel

Höflich und zurück­haltend: Der Pharmazie-Stundent Taisier ­Alzuabi ist aus Syrien geflohen. Er saß dort im Gefängnis und sollte danach Militärdienst leisten.  Foto: J. Barmwoldt
Höflich und zurück­haltend: Der Pharmazie-Stundent Taisier ­Alzuabi ist aus Syrien geflohen. Er saß dort im Gefängnis und sollte danach Militärdienst leisten.
Foto: J. Barmwoldt

Wennebostel (job). Diese Bombe. Diese verdammte Fliegerbombe! Sie hat Özal in Syrien getötet. Özal war die Freundin von Taisier Alzuabi (27). Der Flüchtling erzählt davon. Leise. Mit gesenktem Blick. In Wennebostel. Taisier Alzuabi hat in Syrien Pharmazie studiert. Fünf Jahre lang habe er gelernt, sagt er. Er komme aus Daraa, einer 100.000-Einwohner-Stadt an der Grenze zu Jordanien. In Daraa begann 2011 der Aufstand gegen Syriens Präsident Baschar Hafiz al-Assad. Der Aufstand steigerte sich zum Bürgerkrieg. Und Taisier Alzuabi landete im Gefängnis. Als er nach einem Jahr freikam, sollte er im Sommer 2014 eingezogen werden – in Assads Armee. „Das wollte ich nicht, deshalb bin ich geflohen“, sagt der zurückhaltend und intellektuell wirkende junge Mann. Die erste Station seiner Flucht war das benachbarte Jordanien. Nach einem Jahr im Flüchtlingslager kaufte er ein Flugticket und flog in die Türkei. Von dort sei er in einem, wie er sagt, Plastikboot nach Griechenland geschleust worden. Zu Fuß ging’s weiter über die griechisch-mazedonische Grenze. Mazedonien! Mit Grausen erinnert er sich an dieses Balkanland: „Sie haben mich dort in einer Polizeistation eingesperrt, 45 Tage lang, einfach so.“ Die Weiterreise erfolgte mit dem Zug, erst nach Serbien und schließlich nach München. Von dort sei er rasch ins Durchgangslager Friedland gelangt, wo er einen Monat blieb. Seit zwei Monaten wohnt Taisier Alzuabi nun in Wennebostel. Was ihm dort gefällt? „Alles!“, antwortet er spontan und lächelt. Sein Lächeln blüht auf in ein freudiges Strahlen: „Hier ist alles anders als in Syrien!“ Taisier Alzuabi sitzt an einem runden weißen Plastikgartentisch, darüber hängt eine kugelförmige weiße Papierlampe. Tageslicht scheint durch zwei weiße Sprossenfenster in den weiß getünchten Raum. Auf roten Fliesen steht ein Metallgitterbett, es füllt eine Zimmerecke aus. Daneben fällt der schwarz-weiß-grüne Schal von Hannover 96 auf: Er liegt leger über der Sitzbanklehne. Penibel geordnet ruhen hingegen Schulhefte, Aktenordner und ein Notebook auf dem Schreibtisch; Taisier Alzuabi hat das Deutsch-Lehrbuch „Menschen“ aufgeschlagen; es ist im Hueber Verlag erschienen. Seit Anfang Januar lernt er Deutsch im „Bildungsverein“ in Hannover (Am Listholze 31). Sieben Monate lang wird der Kursus dauern. Danach möchte er sein Examen als Apotheker machen. Nebenher studiere er Buchführung, dafür habe er sich schon in Syrien interessiert, sagt er. Voll des Lobes ist er für Wennebostel. Hier habe er viel Hilfe erhalten und er wünsche, dass es so weitergehe. So frühstücke er jeden Tag mit seinen Nachbarn Lisa und Jörn, mit ihnen esse er auch zu Mittag. Abends verpflegten ihn Andrea und Kerstin. Ob Frikadellen oder Kartoffeln, ob Rotkohl oder Sauerkraut: „Ich esse alles außer Schweinefleisch“, erklärt Taisier. Manchmal koche er auch für seine Wennebosteler Freunde, zum Beispiel Spinat mit Reis und Huhn und vielen Gewürzen. Aber Alkohol meide er. Denn er sei Sunnit; die Sunniten bilden die größte Glaubensrichtung im Islam. „Ich gehe jeden Freitag in die Moschee in Hannover.“ Trotzdem habe er bereits 25 bis 30 deutsche Freunde, und er möchte für immer in Deutschland bleiben. In drei oder vier Jahren, nach dem Studium, wolle er heiraten. „Aber ich habe noch keine Kandidatin“, räumt er ein. Und wie sieht es mit dem Brautpreis aus, der doch in Syrien üblich ist? Welch direkte, welch unsensible, welch unorientalische Frage! Taisier Alzuabi windet sich: „Mal sehen, wenn ich arbeite“, antwortet er höflich. Seine Eltern wohnen, wie er sagt, noch in Syrien, außerdem lebten dort ein Bruder und drei Schwestern. Seine vierte Schwester sei in Saudi-Arabien verheiratet. Familiennachzug sei nicht geplant, sagt Taisier Alzuabi. Familiennachzug wäre auch nur möglich für eine Ehefrau oder minderjährige Kinder, heißt es von Seiten der Gemeindeverwaltung Wedemark.

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