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Whatsapp & Co. für Eltern und andere Ahnungslose

Humorvoll und launig und ohne erhobenen Zeigefinger führte Moritz Becker die Zuhörer in die soziale Netzwelt. Foto: S. Littkemann
Humorvoll und launig und ohne erhobenen Zeigefinger führte Moritz Becker die Zuhörer in die soziale Netzwelt. Foto: S. Littkemann

Mellendorf (lit). Vorm Frühstück mal eben 300 Whatsapp-Nachrichten aus der Klassengruppe checken, schlechte Bilder von guten Freunden liken, Selfies machen und hochladen, auf Blaue Häkchen starren, dauerchatten mit besten Freunden und solchen, die es werden könnten – was für viele Eltern der blanke Handyterror zu sein scheint, ist für die meisten Jugendlichen ihre Nabelschnur zur Außenwelt. Und die heißt Whatsapp. Was hat das zu bedeuten? Ist das jetzt besonders schlimm? Wie gehe ich damit um? Auf diese ebenso bangen wie verbreiteten Fragen unter Eltern und anderen erwachsenen Menschen, die noch aus der Urzeit der Kommunikation stammen (also vor der Zeit der sozialen Netzwerke – so ungefähr vor 2006) gab der Sozialpädagoge Moritz Becker vom Verein Smiley  aus Hannover am vergangenen Donnerstag im Forum des Schulzentrums viele Antworten. Fast 300 Besucher waren der Einladung der Schulsozialarbeiter Anna Rieder und Martin Schröter gefolgt, um sich vom gewitzten und wortgewandten Medienpädagogen die Welt von Whatsapp, Instagram, Snapchat und Co. erklären zu lassen – und die ihrer Kinder gleich mit. Und sie wurden nicht enttäuscht: Mit komödiantischem Talent und mit vielen treffenden und amüsanten Beispielen gelang es Becker in rund eineinhalb Stunden, den Eltern die Welt ihrer Kinder näher zu bringen und ihre Mediennutzung besser zu verstehen. Denn eines stellte Becker gleich zu Beginn klar: „Nicht die Jugendlichen haben hier ein Problem – wir haben es!“ Zur Demonstration hatte Becker, selber Vater von zwei Töchtern im medienfähigen Alter, die Holzpuppen Max und Lisa mitgebracht, die stellvertretend für ihre echten Altersgenossen Botschaften transportieren durften – ganz undigital mit Schildchen beklebt. Denn die Bedürfnisse von Kindern und Heranwachsenden seien trotz Instagram und Whatsapp die alten geblieben: „Max und Lisa wollen genau wie wir früher Anerkennung oder wenigstens Aufmerksamkeit bekommen, sie entwickeln ihre Identität und brauchen dabei die Bestätigung durch andere. „Fishing for compliments“ sei kein neues Phänomen – heute gehe das eben mit Herzchen und Likes. Auch Unbekümmertheit und Neugierde seien das Privileg junger Menschen und keinesfalls negativ zu sehen. Solange die Unbekümmertheit im Netz jedoch noch zu groß sei wie etwa bei vielen Grundschulkindern, müsse man als Eltern ab und zu „kontrollgucken“, um die Kinder zu schützen. „Na, was willst du denn da bei Instagram hochladen? Mama und Papa im Schlafzimmer?! Neeiin!!“ Becker plädierte weniger für starre Regeln und Altersgrenzen als für ein gesundes Bauchgefühl im Umgang mit der jugendlichen Mediennutzung. Es käme ja auch niemandem in den Sinn, eine Altersgrenze fürs tiefe Schwimmerbecken zu fordern – „Da geht man rein, wenn man schwimmen kann, vorher nicht!“ Von der Verteufelung der neuen Medien war Becker weit entfernt: „Die sozialen Medien sind nur so gut oder so schlecht wie die Menschen, die sie nutzen.“ Beliebte und motivierte Schüler würden durch Watsapp und Co. weiter stabilisiert, Sorgen machen müsse man sich eher um die unbeliebten Schüler, die dadurch noch mehr Angriffsfläche böten.“ Das gelte auch für ganze Klassen: Für gute Klassengemeinschaften seien Gruppenchats oft ein Gewinn, schlechte Klassengemeinschaften würden nicht selten noch verkrachter. Kein Bock auf Hausaufgaben – auch dieses Phänomen habe es schon vor der Zeit dauervibrierender Smartphones gegeben, wie Becker schmunzelnd aus eigener Erfahrung berichtete. Jugendliche könnten durchaus eigenständig Strategien im Umgang mit ihrem Handy entwickeln, um ihren Chatkonsum zu begrenzen und sich anderen Dingen zuzuwenden. Sich selbst zu regulieren sei immer der bessere Weg und habe den größeren Lerneffekt. „Die Handywegnahme sollte für die Eltern ein echtes Notprogramm bleiben – wenn zum Beispiel am Schreibtisch nichts mehr läuft!“ Auch Rituale hielt der Medienpädagoge für hilfreich und hatte gleich ein paar Anekdoten parat: Da gab es ein Mädchen, das nachts ihr Handy in einer Schublade einschloss, und eine ganze Klasse, die vor Unterrichtsbeginn ihre Handys in eigens dafür angefertigte Handybettchen legte – um sie nach Schulschluss wieder „aufzuwecken“. Mit einem „Weckruf“ beendete auch der Medienpädagoge seinen bemerkenswerten Vortrag. „Machen Sie sich auf den Weg, interessieren Sie sich für das, was ihre Kinder bewegt“, appellierte Becker an sein Publikum. Es gehe schließlich um nichts weniger als um die Beziehung zu ihnen.

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