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Ministerpräsident ist beeindruckt vom Geschichts-Projekt

Mellendorf (jo). Das Projekt „Die Geschichte in der Wedemark von 1930 bis 1950”, an dem seit fast fünf Jahren gearbeitet wird, hat längst Ausstrahlung über die Grenzen der Gemeinde Wedemark hinaus erreicht. Und auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ließ es sich am vergangenen Mittwoch nicht nehmen, seinen Regierungssitz in der Landeshauptstadt zu verlassen und die Wedemark zu besuchen. Im Bürgerhaus hatte die Geschichts AG des Gymnasiums Mellendorf das jüngste Kapitel des Projektes in Form einer kurzen Präsentation vorbereitet. Mit dabei auch der Landtagsabgeordnete Rüdiger Kauroff, auf dessen Initiative der Besuch vereinbart wurde. Thema des vorerst letzten Abschnittes ist die Geschichte der „Katholischen Flüchtlinge in der Wedemark”. Unter professioneller Begleitung haben die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 10 und 11 nicht nur Zeitzeugen befragt, sondern ebenso auch in den entsprechenden Archiven recherchiert, wie es den Menschen nach ihrer Flucht erging, als sie sich in der Wedemark niederließen. Viele Familien kamen aus Schlesien und brachten ihren katholischen Glauben in die protestantisch geprägte neue Heimat mit. Zu diesem Zeitpunkt machten die Katholiken gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung aus, plötzlich stieg diese Zahl, rund 1.400 Flüchtlinge waren katholisch. Die Schülergruppe erläuterte, dass der erste Gottesdienst im März 1946 in einer Gaststätte in Bissendorf gefeiert wurde, 1954 wurde mit dem Bau einer eigenen Kirche in Mellendorf begonnen, 1959 wurde sie fertiggestellt. Eine eigenständige Kirchengemeinde mit dem Namen St. Maria Immaculata wurde sie erst im November 1970. Die Interviews mit Zeitzeugen ergaben, dass die Flüchtlinge auf ihren unterschiedlichen Routen viele Entbehrungen hinnehmen mussten, die Versorgung mit Lebensmitteln denkbar schlecht war, gleiches galt auch für die hygienischen Bedingungen und auch die medizinische Versorgung war nicht besser. Lange Fußmärsche unter schweren Bedingungen gehörten für die Flüchtlinge dazu. Angekommen in der Wedemark mussten sie anfangs mit zahlreichen Repressalien kämpfen, denn die Akzeptanz der Katholiken war nicht immer wohlwollend. Berichte belegen, dass sie sogar von Baulandvergaben durch die lutherische Kirche ausgeschlossen waren und auch Hänselein in den Schulen mussten sich die Kinder gefallen lassen. Die nach 1945 allgemein schlechte Versorgungslage tat das ihre dazu, oft genug wurden die Flüchtlinge ausgegrenzt, wenn es um die Verteilung von Lebensmitteln etwa über die sogenannten Care-Pakete ging. Die Recherchen ergaben weiter, dass es aber auch Unterstützung gab, zum Beispiel von Landwirten die Wohnraum oder Lebensmittel zur Verfügung stellten. Vielen Flüchtlingen sei die Integration schließlich gelungen, nicht zuletzt über die Mitgliedschaften in Vereinen, denen sie sich angeschlossen hatten. Stephan Weil zeigte sich beeindruckt von der Leistung der Schüler sowie aller Beteiligten an dem Projekt, das sich mit einem für Deutschland sensiblen Zeitrahmen auseinander setzt: „Ich kenne viele Heimatchroniken” sagte Weil: „allerdings haben fast alle Lücken, was die Nazizeit betrifft”. Und das sei in der Wedemark anders, wie er anerkennend und beeindruckt feststellte. Für Bürgermeister Helge Zychlinski als Gastgeber des Ministerbesuchs eine gute Gelegenheit festzustellen, dass die Ereignisse in Deutschland während der Herrschaft der NSDAP durchaus bekannt waren: „Die Dokumentationen belegen ganz eindeutig, dass diese Herrschaft auch in den Dörfern bis in den letzten Scheunenwinkel gewirkt hat.“ Für das gesamte Team der „Erinnerungskultur” in der Wedemark, mit Koordinator Franz Rainer Enste an der Spitze, wird mit der Aufarbeitung der Flüchtlingsgeschichte zunächst ein Schlusspunkt unter das Projekt gesetzt. Dass es eine Fortführung in ähnlicher oder anderer Form geben wird, schlossen alle Beteiligten aber nicht aus.

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