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Warum die Abdallas in Mellendorf bleiben wollen

Pauken fleißig Deutsch: Mohammed, Mauda, Miada, Yassir und Montesir Abdalla. Sie sind amtlich anerkannt als politisch verfolgte Flüchtlinge aus dem Sudan. Foto: J. Barmwoldt
Pauken fleißig Deutsch: Mohammed, Mauda, Miada, Yassir und Montesir Abdalla. Sie sind amtlich anerkannt als politisch verfolgte Flüchtlinge aus dem Sudan. Foto: J. Barmwoldt

Mellendorf (job). Mauda lächelt. Sie bringt zwei Tassen Kaffee ins blitzblanke Wohnzimmer, stellt sie behutsam auf das Tischchen vor dem hellen Ecksofa. Ihr Mann Yassir Abdalla erzählt derweil, warum sie aus dem Sudan geflüchtet sind und warum sie in der Wedemark bleiben wollen. „Die Menschen sind hier sehr freundlich, sie fragen nicht, wer du bist“, sagt er. Außerdem lobt er die Hilfsbereitschaft der Mellendorfer Nachbarn. „Vor allem Conny, sie kommt und hilft uns immer, wenn es nötig ist“, betonen Mauda und Yassir Abdalla. Sie sind seit einem Jahr als politische Flüchtlinge anerkannt. Damit gehören sie zu den 287 Flüchtlingen und Asylbewerbern, die sich zum 30. Juni 2015 in der Wedemark aufhielten. Diese Zahlen nennt Hinrich Burmeister, der Sprecher der Gemeinde Wedemark. Er hat sie der Quartalsstatistik der Ausländerbehörde der Region Hannover entnommen. Mauda und Yassir Abdalla haben drei Kinder: Montesir (12), Miada (7) und den dreieinhalbjährigen Mohammed „Unsere Kinder führen hier ein ganz normales Leben“, sagt Yassir Abdalla und lächelt. Montesir geht in die siebte Klasse der IGS Wedemark, außerdem spielt er Fußball im Verein Blau-Gelb Elze. Miada wurde jüngst in die Grundschule Mellendorf eingeschult und Mohammed besucht den Kindergarten am Gilborn. Doch jetzt, am Sonntagvormittag, hüpft er fröhlich ins Wohnzimmer. Sein Ziel: die Etagere mit Keksen und Lollis, die auf dem Couchtisch steht. Die Obstschale daneben, die voller Pfirsiche und Bananen ist, interessiert ihn nicht. Mohammed und seine Geschwister sprechen perfekt Deutsch; die Eltern lernen es seit Mai in Hannover. „Meine Frau hat vormittags drei Stunden Deutschunterricht, fünfmal die Woche“, erzählt Yassir Abdalla. Er leiste das gleiche Pensum nachmittags. „Damit immer einer von uns auf die Kinder aufpassen kann“, erklärt er. Der Deutschkursus dauert bis zum kommenden Februar. Mauda Abdalla möchte danach als Krankenschwester arbeiten. Yassir kann sich vorstellen, in Mellendorf mit Hilfe des Jobcenters einen Halal-Markt zu eröffnen, in dem er Fleisch von Ziegen, Schafen und Rindern verkauft, die islam-konform geschlachtet wurden. „Denn hier in der Wedemark leben schon genug Muslime, die solches Halal-Fleisch kaufen. So ein Laden müsste sich rechnen“, meint Yassir Abdalla. Er selbst fahre immer nach Hannover, um bei einem der vier türkischen Fleischer einzukaufen. „Alle anderen Lebensmittel kaufen wir aber in Mellendorf bei Lidl oder Aldi ein“, sagt der Familienvater. Der 41-Jährige hat in Khartum, der Hauptstadt des Sudans, Wirtschafts- und Politikwissenschaft studiert. Damit verschärften sich seine Probleme im Sudan. „Denn ich war schon seit meiner Schulzeit politisch aktiv, ich habe mich immer für Freiheit und Gerechtigkeit eingesetzt“, erzählt er. Bis zum zweiten Vorsitzenden der eher linksgerichteten GEM-Partei habe er es gebracht. So machte er sich richtig unbeliebt beim autoritären Staatspräsidenten Umar Hasan Ahmad al-Baschir. „Aber eigentlich ist es egal, ob man im Sudan politisch aktiv ist oder nicht“, erklärt Yassir Abdalla, „das Regime von al-Baschir ist einfach kriminell“. Tatsächlich hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehl gegen al-Baschir erlassen – wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Darfur-Konflikt. Al-Baschir putschte sich 1989 an die Macht. Er regiert den Sudan islamisch-fundamentalistisch. Was das konkret bedeutet? Yassir Abdalla nennt ein Beispiel: „Ließe sich meine Frau im Sudan ohne Kopftuch auf der Straße blicken, würden ihr die Polizisten gleich den Kopf kahl scheren.“ Im Jahre 2003 flüchteten die Abdallas nach Libyen. Acht Jahre später, als Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi mit europäischer und amerikanischer Hilfe gestürzt und getötet wurde, tauchten auch dort islamische Fundamentalisten auf. Die Abdallas flüchteten nach Italien. Dort blieben sie ein Jahr und zwei Monate. Und sie beklagen, wie trostlos und schwer ihr Leben dort gewesen sei. Im September 2012 kamen sie nach Deutschland: zuerst ins Zentrale Aufnahmelager Braunschweig, dann ins Aufnahmelager Osnabrück-Bramsche und schließlich in die Wedemark nach Oegenbostel. „Dort haben wir ein Jahr und acht Monate gelebt“, erinnert sich Yassir Abdalla. Das sei allerdings schwierig gewesen. „Denn dort gab es keinen Arzt, und der Kindergarten war sechs Kilometer entfernt“, sagt er, „das ist ein Problem, wenn man nur ein Fahrrad hat und der Bus am Samstag und Sonntag nicht fährt“. So waren die Abdallas froh und glücklich, als sie 2014 nach Mellendorf umziehen durften. Hier wollen sie bleiben. Ihre Kinder auch. Für immer.

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