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Jugendheim dient jetzt als Flüchtlingsunterkunft

Die Region Hannover nutzt ab sofort das Jugendheim in Gailhof für die Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge. Foto: G. Vrobel
Die Region Hannover nutzt ab sofort das Jugendheim in Gailhof für die Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge. Foto: G. Vrobel

Gailhof (jo). Nicht nur die Gemeinde Wedemark muss für die Unterbringung von Flüchtlingen auf eigene Liegenschaften zurückgreifen – auch die Region Hannover hat keine anderen Möglichkeiten mehr. Ab sofort wird das Jugend-, Gäste- und Seminarhaus mit Standort in Gailhof für die Inobhutnahme von minderjährigen Flüchtlingen genutzt. Im ersten Info-Schreiben der Region an die unmittelbaren Nachbarn des Jugendheimes hieß es noch, es würden lediglich die fünf Wohnhütten einschließlich der Selbstversorgerhütte auf dem Gelände belegt. Mittlerweile haben sich die Planungen überschlagen, wie Alisa Bach, Leiterin des Fachbereichs Jugend der Region Hannover, im Rahmen einer Infoveranstaltung erläuterte: „Seit 1. November sind alle Bundesländer für die Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge in die Pflicht genommen. Für den Zuständigkeitsbereich des Jugendamtes der Region Hannover ergibt sich die Zahl von 340 minderjährigen Flüchtlingen“, erläuterte sie. Durchschnittlich seien in den vergangenen Wochen rund 15 Jugendliche eingetroffen und zuletzt in derart kurzer Folge, dass man zügig nach Lösungen habe suchen müssen. Konkret sieht nach derzeitigem Stand die Planung so aus, dass auch für das Haupthaus des Jugendheims die Buchungen von Schulklassen, Vereinen und Organisationen storniert wurden, die ersten jungen Flüchtlinge sind dort eingezogen. Sie werde nun das sogenannte Clearingverfahren durchlaufen und anschließend in eine Nachfolgemaßnahme überwiesen. Wie Bach erklärte, ist damit die Aufenthaltszeit jedes einzelnen minderjährigen Flüchtlings auf etwa acht Wochen begrenzt: „Sie gehen dann weiter entweder in betreute Dauerwohngruppen, im Idealfall in Pflegefamilien oder es ist möglich sie mit anderen Familienangehörigen zusammenzuführen“. Die Jugendlichen sollen in Gailhof in zehnköpfigen Wohngrupen von Fachkräften betreut werden, in die Betreuung mit einbezogen werden auch die bisherigen Mitarbeiter des Jugendheims. Die Betreuung ist Tag und Nacht sichergestellt: „Wir sind dabei, weitere rund 50 Fachkräfte einzustellen, alles was irgendwie geht, wird zum Beispiel auch aus anderen Teams aus dem Jugendamt, in die Aufgabe gestellt, so Bach. Dazu gehören auch Dolmetscher und auch ehrenamtliche Helfer. In Gailhof werden demnach Plätze für 95 minderjährige Flüchtlinge bereitgestellt, dazu kommt eine weitere Maßnahme, die kurzfristig beschlossen wurde: Am unteren Ende des weitläufigen Geländes hinter dem Jugendheim zur Straße „Am neuen Kampe“ entsteht ein doppelgeschossiger Neubau. Hier sollen etwa ab Sommer 2016 zwei feste Dauerwohngruppen für 20 Jugendliche eingerichtet werden: „Wir schätzen, dass dieses Haus etwa für drei Jahre für diesen Zweck genutzt wird. Es ist so konzipiert, dass es anschließend für die Nutzung des Jugendheims zur Verfügung steht.  Bach betonte, dass die Bewältigung der Aufgabe, junge Flüchtlinge zu betreuen und unterzubringen eine Dimension hat, die sie in den 25 Jahren iherer Tätigkeit in diesem Bereich noch nicht erlebt habe. Und sie ermunterte die überwiegend Gailhofer Besucher der Infoveranstaltung, den Kontakt zu suchen und Sorgen und Ängste direkt bei der Hausleitung mit Helga Wienecke oder Matthias Nack anzusprechen. Nack wird ab 1. April 2016 die Leitung des Jugend-, Gäste- und Seminarhauses von Helga Wienecke übernehmen, die in den Ruhestand gehen wird. Intererssiert verfolgten die Anwohner und Gäste die Schilderungen von Dietmar Bolte, der das Kinder- und Jugendheim Waldhof in Barsinghausen leitet und seit einigen Wochen dort bereits minderjährige Flüchtlinge betreut. Er betonte, dass es dort bisher nur positive Erfahrungen gebe: „Die Flüchtlinge nehmen unsere Hilfe sehr viel bereiter an, als es unsere deutschen Jugendlichen tun. Sie sind sehr lernwillig und bemühen sich sehr um Eingliederung“. Er wird in der ersten Zeit seine Erfahrungen in Gailhof mit einbringen und Aufbauhilfe leisten. Dort werden zu 99 Prozent männliche Jugendliche aus den Krisenländern Afghanistan, Syrien, dem Irak, aus Somalia und Marokko untergebracht. Die Frage einer Anwohnerin, warum soviele junge Männer herkommen, beantwortete Bach: „Weil für sie in ihren Herkunftsländern die große Gefahr besteht, dass sie von der Miliz rekrutiert werden. Viele Familien kratzen ihr letztes Geld zusammen, um ihnen die Flucht überhaupt zu ermöglichen“. Auch die hohe Zahl der Jugendlichen machte einer Anwohnerin Sorge: „Für unser kleines Dorf sind das viel zu viel, sagte sie und: „mit den deutschen Jugendlichen konnte man wenigstens noch sprechen, wenn sie sich nicht benommen haben“. Dem setzte Bach entgegen, dass bei einer Vollbelegung des Jugendheims genauso viele Jugendliche im Haus seien und man solle einfach genauso verfahren wie mit den deutschen Jugendlichen und sie ansprechen: „Im Notfall mit Händen und Füßen, das ist der erste Weg einer Verständigung“. Aber auch Fragen,  wie und wo man Kontakte zu den Jugendlichen und ihren Betreuern knüpfen und welche Gemeinsamkeiten es geben könnte, wurden diskutiert. „Gerne dürfen sich Ehrenamtliche mit einbringen“, so Bach. Die Frage, ob die Jugendlichen auch Taschengeld bekommen würden, beantwortete Bolte mit Ja: „Angepasst an das Alter der Jugendlichen und es richtet sich nach den Sätzen, die für deutsche Jugendliche vorgesehen sind“. Er erzählte dazu aus seinen konkreten Erfahrungen: „Sie geben fast alles für Süßigkeiten aus. Sie haben einen so hohen Bedarf, das Versäumte nachzuholen, dass der kleine Bäckerladen bei uns im Dorf jetzt sehr gut zu tun hat“.

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