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„Der Nationalsozialismus ist 1933 nicht einfach vom Himmel gefallen!”

Weitere drei Buchbände zur jüngsten Geschichte der Wedemark sind erschienen

Wedemark (jo). Eigentlich hätten die drei neuen Bände des Projektes der Erinnerungskultur in der Gemeinde Wedemark längst einem breiten Publikum vorgestellt werden. „Der Termin für das dazugehörige Symposium war der erste, den wir als Gemeinde wegen der Corona Pandemie haben absagen müssen”, erkäuterte Bürgermeister Helge Zychlinski im kleinen Kreis. Anstatt vor großem Publikum im Forum des Schulzentrums waren es jetzt die maßgeblich an der jüngsten Geschichte der Wedemark von 1930 bis 1950 beteiligten zusammen gekommenn, um zumindest die drei neuen Bände 10, 11 und 12 vorzustellen. Band 10 beschäftigt sich mit den Opfern des NS-Rassenwahns, in Band 11 werden kurze Geschichten aus der Jugend von gestern erzählt und in Band 12 weren Aspekte ur Ortsgeschichte beleuchtet wie Nachkriegszeit, Postsendungen und Reichsarbeitsdienstlager. Nach Bissendorf gekommen waren neben dem Bürgermeister und Dr. Franz Rainer Enste als Koordinator für das 2014 gestartete Projekt auch Martin Stöber von Niedersächsischen Institut für Historische Regionalforschung. Online zugeschaltet waren der emerietiert Prof. Carl-Hans Hauptmeyer und Karl H. Schneider, beide von der Leibniz Universität Hannover. Zeitweise gehörte auch Dr. Gerrit Dworok dazu, der in Seminarkursen am Gymnasium Mellendorf gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern zu verschiedenen Themenbereichen erarbeitet hat. Für Dr. Franz Rainer Enste eine Tatsache, die ein ausgesprochen wichtiger und wertvoller Teil des Projektes war und ist. Das sah auch Prof. Hauptmeyer ähnlich, der vor allem für die Initiative der Gruppe großes Lob hatte: „Die Wedemark ist eine von sehr wenigen Gemeinden, die sich darum gekümmert hat, die Zeit von 1930 bis 1950 genauer anzusehen. Das ist nicht selbstverständlich, dieser Teil der Geschichte wurde vielerorts tot geschwiegen. Dabei ist klar, dass der Nationalsozialismus 1933 nicht vom Himmel gefallen ist.” Hauptmeyer betonte, dass die Diktatur immer unmenschlicher geworden ist und dann immer weiter festigte und schließlich in schnellem Wahnsinn wuchs: „Das ist auch heute noch ein ganz große Gefahr”, sagte er. Umso höher einzuschätzen sei die wissenschaftlich begleitete Arbeit in der Wedemark, an der neben Historikern auch Schüler, Studenten und Zeitzeugen mitgearbeitet hätten: „Besonders bildhaft wird die Zeit in dem Sonderband aus Elze, der von Otto Hemme, Heinrich Frank und Max Steinborn verfasst wurde.” Er unterstrich dass das Projekt ein ganz besonderes sei und er wünschte sich, dass es auch weiter nach außen getragen werde. Auch Karl H. Schneider bestätigte die hohe Wertschätzung: „Die Dauer, der Umfang und die Vielzahl der hier beleuchteten Aspekte aus dieser Zeit waren lange Zeit aus der Geschichte vieler Dörfer ausgeblendet”, sagte er. Umso erschreckender sei die Tatsache, wie schnell und aktiv sich die Deutschen auf das Spiel der Nazis eingelassen hätten.” Das zeige sich auch besonders an Einträgen im Mellendorfer Tagebuch, das einer der Schullehrer geführt habe: „Dort ist erkennbar, dass das Dritte Reich bis zum Ende verteidigt wurde. Der Gedanke, dass es nicht mehr existieren würde, hätte den Weltuntergang bedeutet.” Selbst als die Truppen der Amerikaner in Deutschland einmarschierten hätten die deutschen Soldaten noch weiter gekämpft und Widerstand geleistet. Schneider ermunterte die Gemeinde, die Geschichte der Wedemark nun fortzuschreiben: „Die Basos für weitere Projekte ist nun gegeben.” Nützlich und sinnvoll sei eine entsprechende Betreuung, um ein solches Ortsarchiv auch weiter auszubauen. „Die Worte zum Gemeindearchiv sind angekommen”, antwortete Zychlinski: „Die fachliche Betreuung wird durch die Region geleistet, derzeit sind Studenten dabei, die Grundlagen zu schaffen. Für die Gemeinde allein ist solch ein Archiv eine Nummer zu groß.” Aber der Standort des Archivs werde in der Wedemark bleiben, im Mehrgenerationenhaus in Mellendorf seien dafür bereits Räumlichkeiten vorgesehen, die entsprechend notwendigen Umbauarbeiten sollen im kommenden Jahr beginnen. „Wir sind jetzt auf dem besten Weg.” Und Martin Stöber berichtete von einer weiteren Projektarbeit, die sich mit dem Medium Film beschäftigt. Dabei seien Studenten mit anderen Studenten unterwegs gewesen, unter anderem um Zeitzeugen zu interviewen, was im Film festgehalten wurde. Genau wie die jüngsten Schülerprojekte soll auch dieser Film der Öffentlichkeit vorgestellt werden, sobald dies wieder möglich sein wird. Für Dr. Franz Rainer Enste ein wichtiger Termin, in dessen Rahmen die geleistete Arbeit aller Beteiligten und vor allem die der Schülerinnen und Schüler gewürdigt werden soll: „Das ist dann ein wirklicher Abschluss, mit Festvortrag und auch der Botschaft, dass damit ein Stein der Geschichte ins Rollen gebracht worden ist, der über die Grenzen der Wedemark hinaus Anregung für andere Städte und Kommunen sein kann, sich ebenfalls ihrer jüngsten Geschichte zu stellen.” Die Bände „Euthanasie und Eugenik – Opfer des NS-Rassenwahns aus der Wedemark”, „Kurze Geschichten vor langer Zeit – Jugend von gestern” und „Aspekte der Ortsgeschichte – Nachkriegszeit, Postsendungen, Reichsarbeitslager” sind im Buchhandel zum Preis von 10,40 Euro, 10 Euro beziehungsweise 10,60 Euro erhältlich.

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