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„Der erste Lockdown war geprägt von Respekt – das ist jetzt anders”

Bürgermeister Helge Zychlinski stand dem wedeMAGAZIN Rede und Antwort zum Thema Corona

Wedemark (jo). Das Fenster im Büro des Bürgermeisters ist weit geöffnet, der Raum hat eine ausreichende Größe und einem Gespräch zum Thema „Umgang mit dem Corona-Virus in der Gemeinde Wedemark” steht nichts im Weg. Ein Thema, um das in der aktuellen Situation bei immer noch steigenden Zahlen im Moment keiner herum kommt: wedeMAGAZIN: Wie hat sich der Arbeitsalltag im Rathaus für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung verändert? Helge Zychlinski: „Für uns sind eine Reihe von Aufgaben dazu gekommen, unter anderem unterstützen wir das Gesundheitsamt der Region, etwa durch Kontrollen der Maskenpflicht, die Überprüfung von Hygienekonzepten bei Betrieben. Und natürlich werden an uns auch wieder über das Bürgertelefon zahlreiche Anfragen gestellt. Darüber hinaus müssen wir unsere eigenen Bereiche abdecken, dazu gehören zum Beispiel organisatorische Fragen rund um die Schulen und Kindertagesstätten. Das beginnt mit einem Lüftungskonzept für die Schul- und Kitaräume. Wie man sich vorstellen kann, ist es gerade in Kitas nicht ganz einfach, dabei auch für die Kleinsten eine gute Raumtemperatur zur gewährleisten. Darüber hinaus können Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Kita hinein bringen, sie sollen an der Tür übergeben werden. Möglichst jede Gruppe für sich. Und dann sind Wege auch außen über das Kitagelände zu gehen, die jetzt in der dunkleren Jahreszeit beleuchtet werden müssen. Dies alles sind Aufgaben, mit denen wir uns sonst nicht befassen müssen. Darüber hinaus muss die Verwaltungsarbeit erledigt werden, zum Teil aktuell auch wieder über die Lösung des Homeoffice. wedeMAGAZIN: Warum wurden die Schülerinnen und Schüler am Wochenende vor dem 2. November darüber informiert, dass an dem Tag die Schule für alle Klassenstufen ausfällt? Zychlinski: „Am Gymnasium gab es einen Infektionsfall im 13. Jahrgang. Und weil der Inzidenzwert auf Regionsebene an eben diesem Wochenende auf über 100 gestiegen ist, musste gehandelt werden. Denn damit waren die Bedingungen für das sogenannte ‘Szenario B’, also Unterricht in Wechselschichten, erfüllt. Um dafür die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen, war der Tag einfach notwendig. Und der gleiche Fall galt auch für die IGS. Mittlerweile haben wir für anstehende Klausuren das Forum hergerichtet und auch die Gislaved-Sporthalle.” wedeMAGAZIN: Gibt es einen Lösungsansatz, wie die immer wieder von Eltern beklagten vollen Schulbusse entlastet werden können? Zychlinski: „Erst einmal haben wir die Zeiten des Unterrichtsbeginns am Schulzentrum aufgeteilt. Die einzelnen Klassen fangen um etwa 5 Minuten versetzt an, um das Gedränge an der Waschstraße zu entzerren. Das sind Maßnahmen, für die wir zuständig sind und über die wir entscheiden können. Der Schulbusbetrieb allerdings ist Sache der Region. Nichtsdestotrotz sehen wir uns als Gemeinde in der Fürsorgepflicht, bei uns kommen auch häufig die Beschwerden rein. Das war schon vor Corona so und wir haben bereits mehrfach die Initiative ergriffen. Wir sind aktuell im Gespräch, den Schulstart tatsächlich versetzt zu organisieren. Das heißt in der Praxis, dass einige Klassen bereits zur ersten Stunde kommen, andere zur zweiten oder sogar zur dritten Stunde. Das hat natürlich zur Folge, dass dann der Unterricht bis in den Nachmittag reichen wird. Ein ähnliches Modell läuft bereits erfolgreich in Lehrte. Bis solch eine gravierende Änderung umgesetzt werden kann, braucht es aber Zeit, möglich wäre das frühestens nach den Zeugnisferien. Denn Busse stehen leider nicht unbegrenzt zur Verfügung und auch die Busfahrer nicht. wedeMAGAZIN: Seit der ersten Corona Welle gibt es einen Krisenstab, welche Aufgabe hat er? Zychlinski: „Im Moment haben wir die Taktung unserer Treffen wieder auf dreimal in der Woche hoch gesetzt und die Mitglieder aus Vertretern der Gemeindeverwaltung, der Feuerwehr und auch der Polizei treffen sich in zwei wechselnden Teams in Präsenz oder nehmen online an den Sitzungen teil. Regelmäßig werden die Zahlen und Fakten ausgetauscht und die jeweils anstehenden Probleme besprochen. Dabei geht es zum Beispiel um die Anpassungen der Maßnahmen und auch darum, wer welche Aufgabe übernimmt und erledigt. Das passiert hier in direkter Ansprache, nicht zuletzt auch, weil es zügig passieren soll. wedeMAGAZIN: Wer übernimmt die Kontrollen bei denjenigen, die in Quarantäne geschickt wurden? Zychlinski: „Das ist Aufgabe des Gesundheitsamtes. Aber wir gehen natürlich Hinweisen nach, wenn es irgendwo Auffälligkeiten gibt. wedeMAGAZIN: Wie sieht das bei privaten Feiern aus? Zychlinski: Wenn man in der Nachbarschaft oder Umgebung eindeutig Party-Stimmung wahrnimmt, dann ist es in der derzeitigen Situation angezeigt, das weiter zu geben. Das hat nichts mit anschwärzen oder verpetzten zu tun. Es geht hier darum, Menschen zu schützen. Bei anderen gefährlichen Dingen halten wir es für selbstverständlich, diejenigen, die dafür verantwortlich sind, zu benennen. Es geht hier um den Schutz der Allgemeinheit. Wenn bei Feiern oder Partys die Lautstärke übertroffen wird, dann haben die wenigsten damit ein Problem, das anzuzeigen. wedeMAGAZIN: Gibt es Pläne, zum Beispiel für das Bürgerbüro mehr Service in digitaler Form anzubieten? Zychlinski: „Wir haben seit einigen Wochen die Möglichkeit der digitalen Terminvergabe für die Erstellung von Ausweisen auf unserer Internetseite. Das funktioniert grundsätzlich. Wer einen Personalausweis benötigt, muss aber persönlich erscheinen, das sieht der Gesetzgeber vor. Ärgerlich ist allerdings, dass es einige Mitbürger gibt, die diesen Service ausnutzen. Sie lassen sich einen Termin geben und kommen dann im Extremfall mit fünf Autoum- oder -anmeldungen. Das geht einfach nicht, weil Kfz-Angelegenheiten deutlich mehr Zeit brauchen und damit alle nachfolgenden Termine nicht mehr eingehalten werden können. Und wenn diese Mitbürger dann abgewiesen werden, dann ist die Reaktion durchaus auch schon mal unverschämt. Wir versuchen hier alles am Laufen zu halten aber es gibt im Moment eben auch Dienstleistungen, die wir nur eingeschränkt bieten können.” wedeMAGAZIN: Denken sie, dass bis Weihnachten die Beschränkungen wieder gelockert werden können? Zychlinski: „Ich bin durchaus in Sorge. Aber ich bin mir auch sicher, dass wir den künftigen Verlauf selbst in der Hand haben. Wenn jeder überlegt, wieviele Kontakte er ganz persönlich hat und da auch Einschränkungen in Kauf nimmt, dann könnte die jetzige Entwicklung mit steigenden Infektionszahlen gestoppt werden. Und wir sollten uns auch bewusst machen, dass wir es in Deutschland nach wie vor verhältnismäßig gut haben, andere Länder haben deutlich strengere Regeln.” wedeMAGAZIN: Gibt es in der Wedemark Bereiche in den Ortsteilen, in denen auch unter freiem Himmel die Maskenpflicht gilt? Zychlinski: „Nein, das ist nicht der Fall. Die Maske muss in den Einkaufgeschäften getragen werden und in allen anderen öffentlichen Einrichtungen. Und draußen auch dort, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Das kann zum Beispiel ein Parkplatz vor einem Einkaufsmarkt sein. Grundsätzlich gilt aktuell die Regel, dass sich nur noch 10 Personen draußen treffen dürfen, die aus maximal 2 verschiedenen Haushalten kommen. Bisher waren davon Kinder bis 12 Jahren ausgenommen, das hat sich seit Freitag geändert, auch die Kinder zählen jetzt mit. In der Wohnung ist es ähnlich, hier dürfen sich auch maximal 10 Personen aus höchstens 2 Haushalten treffen oder nur Familienmitglieder. wedeMAGAZIN: Hätten manche Dinge nicht schon im Verlauf des Sommers vorbereitet werden können, als Fachleute bereits vor einem möglichen Anstieg der Zahlen im Herbst gewarnt haben? Zychlinski: Es sind ja viele Dinge passiert. Das Gesundheitsamt hat in den letzten Monaten rund 100 neue Mitarbeiter eingestellt. Trotzdem ist es jetzt nicht mehr immer möglich, alle Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen. Inzwischen sind auch Bundeswehrsoldaten und Beschäftigte der Landesregierung im Einsatz. wedeMAGAZIN: Wie gehen sie persönlich mit dem Pandemie-Alltag um? Zychlinski: „Ich würde mir wünschen, wieder in die Situation beim ersten Lockdown zu kommen. Er war geprägt von gegenseitiger Rücksichtnahme und Respekt voreinander. Zum Glück ist das bei den meisten immer noch so, aber man merkt doch, dass es inzwischen ein anderes Klima gibt. Es ist ganz einfach eine Tatsache, dass keine Regierung und kein Ministerpräsident dafür verantwortlich sind, wenn Teile der Bevölkerung respektlos mit der Situation umgehen. Alle in verantwortlicher Position machen das möglichste, diese Zeit zu überstehen. Es wäre schön, wenn das auch mal wahrgenommen wird.

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