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Bauern kämpfen um ihr Image – und ihre Existenz

Wedemark (jo). Das Bestellen von Feldern und das Halten von Vieh ist seit Urzeiten des Menschen tägliche Arbeit gewesen, um sich selbst und die Familie zu ernähren. Bis heute sind Produkte aus der Landwirtschaft die Grundlagen für den täglichen Bedarf, angefangen bei Gemüse, Obst und Fleisch bis zu den daraus gefertigten Produkten. Immer beliebter sind bei den Verbrauchern Produkte mit regionalem Bezug, und auch in der Wedemark sind Erzeugnisse unterschiedlicher landwirtschaftlicher Betriebe in den Supermärkten zu finden oder werden direkt in den Hofläden angeboten. Damit das auch in Zukunft so bleiben kann, braucht es bis heute den Menschen, der die Felder bestellt und das Vieh hält – die Landwirte. Und für die ist jetzt ein Punkt erreicht, an dem sie sich an die Öffentlichkeit wenden: Da sind zum Beispiel die Vorgaben der Düngeverordnung, die den Arbeitsablauf auf den Höfen streng reglementieren oder die Vorschriften zur Lagerung von Gülle in modernen Anlagen. Der Ausgang eines zu einem Ausbau notwendigen Genehmigungsverfahrens sei nicht nur kostenintensiv, sondern auch unsicher und könne damit die Zukunft mancher Betriebe schon in Frage stellen, erläuterte jetzt Arne Klages, Landwirt aus Sprockhof. Er zeigt sich genauso wie Florian Wiese aus Abbensen, Eberhard Möller aus Negenborn sowie Kai Kreutzer und Martin Schönhoff aus Hellendorf solidarisch mit der Bewegung „Land Wirt schafft Verbindung” und alle werden sich neben weiteren Landwirten aus der Wedemark und der gesamten Region heute mit ihren Schleppern auf den Weg in die Landeshauptstadt machen, mit dem Ziel, direkt mit den Politikern zu sprechen. „Wir suchen den Dialog, nicht nur mit der Politik, gerne auch mit den Bürgern und den Vertretern der verschiedenen Umweltverbände”, betonte Klages das Anliegen der Landwirte. Es ginge dabei nicht um „rum nölen um Milch- oder Getreidepreise”, sondern vielmehr um die Kernfrage, ob Landwirtschaft in Zukunft überhaupt noch gewollt sei. Mit dem von der Bundesregierung geschnürten Agrarpaket sei dies auf jeden Fall deutlich in Frage gestellt: „Wenn unsere Arbeit nicht mehr gewünscht wird, dann muss man es uns sagen”, beschrieb Klages die nicht gerade positiven Aussichten für seinen Berufsstand: „einzelne würden sich dann vielleicht auf die Landschaftspflege konzentrieren, der weitaus größte Teil der Höfe müsste schließen und die Lebensmittel müssen wir dann importieren”. Dies sei vor allem nach dem Mercosur-Handelsabkommen möglich, das den Import von Waren aus Südamerika ermöglicht, die nicht den deutschen Standards für qualitativ hochwertige und geprüfte Lebensmittel entsprechen. Aber auch das gesellschaftliche Miteinander macht in den letzten Jahren vielen Bauern und sogar ihren Familien das Leben schwer: „In vielen Gruppen im Internet gibt es inzwischen eine richtige Stimmungsmache, die gegen die Bauern geht. Dazu gehören auch Umweltverbände oder -initiativen”, so Klages. Dabei seien viele Äußerungen vor allem im Netz in den Sozialen Netzwerken oftmals ohne Sach- und ohne Fachverstand und fast ebenso oft sogar beleidigend. Um hier eine Änderung zu erreichen hat sich erst Anfang Oktober die Bewegung „Land Wirt schafft Verbindung” gegründet, die ohne Dachverband, Vorstand oder Mitgliedsbeiträge auskommt. Die Bewegung hat für den heutigen Tag zu bundesweiten Kundgebungen mit dem Zusatz „wir rufen zu Tisch” aufgerufen, an denen sich etwa 50 Bauern mit ihren Schleppern aus der Wedemark und etwa 150 aus dem Heidekreis sowie zahlreiche Bauern aus der gesamten Region beteiligen wollen. Damit werden sie nicht alleine sein, denn in Bonn findet die Hauptkundgebung statt, darüber hinaus weitere Kundgebungen in vielen anderen deutschen Städten. Deutlich soll dabei werden, dass das Agrarpaket die landwirtschaftlichen Betriebe gefährdet, dass die Verschärfung der Düngeverordnung überdacht werden muss und dass die Bauern nicht länger der Buhmann der Politik und der sogenannten NGO’s sein wollen. Gefordert werden Verhandlungsgespräche zwischen Landwirten, den beiden Bundesministerien für Landwirtschaft und Umwelt und den führenden Vertretern der NGO’s wie etwa dem NABU oder Greenpeace. Mit im Boot sind auch zahlreiche Hofläden, so wie ihn auch Martin Schönhoff in Hellendorf führt. In seinem Laden werden am heutigen Tag die Lichter aus bleiben: „Wo kein Hof ist, ist auch kein Hofladen”. Er bittet seine Kunden dafür um Verständnis und ist wie alle anderen Landwirte auch zu jeder Zeit ansprechbar für alle, die sich ernsthaft für die Strukturen der heutigen Betriebsführung interessieren. Zur Debatte steht in der Gruppe aus der Wedemark und dem Heidekreis aktuell, auch öffentlich die Möglichkeit zum direkten Gespräch zwischen Verbraucher und Landwirten zu organisieren. Denn die Bauern wollen sich nicht verschließen, sondern im Gegenteil in einen gegenseitigen Dialog einsteigen.

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