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Ehemaliger Stasi-IM Rosinger stellt sich seiner Vergangenheit

Wedemark (jo). Der Dokumentarfilm „Feindberührung” war im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Ostober” am vergangenen Freitag nur der Einstieg für einen besonderen Abend im Bürgerhaus: 30 Jahre nach der Wiedervereinigung der DDR und der Bundesrepublik Deutschland stellte sich ein ehemaliger „Inoffizieller Mitarbeiter” der Staatssicherheit, kurz „IM” und „Stasi” dem, was zuvor der Film ohne Pathos und ohne großen technischen Aufwand auf eine bedrückende und beeindruckende Art und Weise gezeigt hatte: Unter dem Decknamen Hans Kramer war es Hartmut Rosinger der für die Inhaftierung und schließlich Ausweisung von Peter Wulkau gesorgt hatte. Damals war Hartmut Rosinger Student und glaubte in der DDR aus echter Überzeugung an den sozialistischen Weg. So sehr, dass er sogar dem System gegenüber kritisch eingestellte Jugendliche davon überzeugen wollte. Schließlich traf er in der Evangelischen Studenten Gemeinde auf Peter Wulkau, der hier der Stasi bereits aufgefallen war. Wulkau stellte viele Fragen, was ihm schließlich die Exmatrikulation an der Universität einbrachte. Er musste danach mit der Konsequenz leben, nur noch einfache Arbeitsstellen zu bekommen. Mit seiner Meinung hielt er sich deshalb aber nicht zurück, sondern äußerte sie weiter öffentlich. Als Rosinger von der Stasi angeworben wurde, verpflichtete er sich, Peter Wulkau zu bespitzeln und das, obwohl ihm dieser eigentlich schon zum Freund geworden war. Trotzdem war es Rosinger, der Wulkau schließlich an die Stasi verriet. Denn sein Freund hatte ihm erzählt, dass er ein Buch über die Zustände in der DDR schreiben wolle: „Damals ahnte ich noch nicht, welche Folgen dieser Verrat für Peter haben würde”, sagte Rosinger im Anschluss an den Filmabend im ausverkauften Bürgersaal. Moderiert wurde der zweite Teil des Abends in zum Teil sehr emotionalen Gesprächen von Dr. Matthias Warnitschke, Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED Diktatur. Und immer wieder drehten sich letztlich fast alle Frage um das eine Thema: „Warum haben sie das getan?” Rosinger stellte sich der Konfrontation mit dem Publikum und auch seiner Verantwortung für sein Tun: „Ich war damals wirklich überzeugt, dass der Sozialismus richtig und wichtig ist”, sagte er. Die Einsicht, dass er mit seinem Idealismus einen falschen Weg eingeschlagen habe, sei ihm erst sehr viel später gekommen: „Heute weiß ich, es wäre auch zu DDR-Zeiten einfach gewesen, die Überwachung von Peter Wulkau zu beenden, zumal wir wirklich miteinander vertraut waren.” Allein seine Feigheit habe ihn den Schritt nicht gehen lassen, sich einfach öffentlich zu der Bespitzelung zu bekennen: „Hätte ich mich zum Beispiel in der Studenten Gemeinde hingesetzt und einfach nur einen Satz darüber gesagt, dann wäre ich als IM raus gewesen.” Die Konsequenzen, die das für seinen eigenen Lebensweg gehabt hätten, habe er zwar nicht genau gekannt, aber gefürchtet. Der Film hatte zuvor die Geschichte erzählt, wie beide Protagonisten nach der Wende den Schritt aufeinander zu gewagt haben. Peter Wulkau war es, der den Kontakt wieder aufnahm, owbohl er eine Haftstrafe in Cottbus verbüßen musste, ehe er von der Generalamnestie für politische Gefangene in der DDR zu deren 30-jährigen Bestehen fast zwei Jahre absitzen musste. 1979 wurde er mit Frau und Tochter innerhalb kürzester Zeit in den Zug Richtung Westen gesetzt und landete zunächst in Gießen. In den filmischen Zwiegesprächen der beiden wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer auch mit der Erkenntnis konfrontiert, das Rosinger auch während der Inhaftierung aktiv war. Dann war die Ehefrau von Wulkau Ziel der Bespitzelung. „Heute tut es mir wirklich leid, was damals passiert ist”, sagte Rosinger, „mit Peter Wulkau habe ich inzwischen Frieden geschlossen.” Eine der Konsequenzen aus diesen Erfahrungen und auch Erkenntnissen sei es, dass er sich nun auch öffentlich der Diskussion wie jetzt in Bissendorf stelle. Das wurde vom Publikum anerkannt – aber Rosinger sah sich auch der Kritik an seiner damaligen Tätigkeit als IM ausgesetzt. Denn aus dem Publikum, das zu einem nicht unerheblichen Teil aus ehemaligen DDR Bürgern bestand, hörte er Geschichten, die nicht selten auch mit anderen IM’s zu tun hatten. Und dabei sind nicht wenige emotionale Erinnerungen aufgestiegen. Der Abend war einer der letzten von der Freiwilligen Agentur und anderen Mitarbeitern der Gemeinde Wedemark zusammen gestellten Veranstaltungsreihe zur Wiedervereinigung. Eines hatten alle gemeinsam: Die Erkenntnis, wie wertvoll es ist, in einer Demokratie und in Freiheit zu leben.

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