Kirche

Alter Kaufvertrag im Kirchenarchiv wieder aufgetaucht

1864 ging das Pfarrwitwenhaus in den Besitz der Familie Backhaus über

Brelingen (jo). „Ich habe mich immer schon gefragt, warum Kirchengemeinden immer alles abheften und aufheben müssen”, sagte Debora Becker: „jetzt weiß ich, warum das so ist..” Mit der Erkenntnis des Wertes alter Schriften, Urkunden oder auch Kirchenbücher ist die Pastorin der Brelinger St. Martini Kirchengemeinde in bester Gesellschaft, denn auch Ralf Backhaus konnte jetzt von diesem Archiv profitieren. Nach dem Tod seines Vaters ist ihm bei der Durchsicht der ererbten Papiere etwas aufgefallen. Seit fünf Generationen ist seine Familie in Brelingen in der Schulstraße ansässig, sein Ur-Ur-Großvater hatte damals das Pfarrwitwenhaus von der Kirchengemeinde gekauft. Die Geschichte kannte Ralf Backhaus aus Erzählungen, allein Unterlagen für diesen Kauf konnte er nicht finden. Immerhin wird in der 1977 von Martin Müller veröffentlichten Chronik „Das 1000jährige Brelingen” Bezug auf den Verkauf des Parrwitwenhauses genommen, sogar mit einem Aktenzeichen versehen. Und so lag die Nachfrage bei der Kirche nahe, ob derartige Unterlagen noch vorhanden seien. „Zusammen mit dem ehrenamtlichen Archivar des Kirchenkreises Burgwedel-Langenhagen, Frank Foerster bin ich dann tatsächlich mit in unser Archiv gegangen und anhand des Aktenzeichens fand sich das entsprechende Schriftenbündel”, erzählte Debora Becker. Aber das Bündel zu finden und dann daraus die gesuchten Unterlagen herauszusuchen sei noch eine andere Sache gewesen. Eine Originalurkunde tauchte bei den Nachforschungen nicht auf, aber eine Zweitschrift in der für die damalige Zeit typischen Handschrift. Frank Foerster übernahm die Aufgabe, den vierseitigen Kaufvertrag zu entziffern und den Text in heutige, für jeden lesbare Form zu setzen. Gleichzeitig wurde so ein Stück Dorf- und auch Familiengeschichte wieder ans Tageslicht befördert. Aus den alten Schriftblätter geht hervor, dass der Kaufvertrag zwischen der Kirchengemeinde, vertreten durch den Ortspastor Heinrich Louis Willigerod und dem Einwohner Friedrich Backhaus als Sohn des Anbauers Heinrich Backhaus in Brelingen am 12. September 1864 geschlossen wurde. Gültig wurde der Vertrag zum 1. Oktober im gleichen Jahr und er schloss neben dem 1712 erbaute Pfarrwitwenhaus auch das dazugehörige Nebengebäude sowie zugehörende Grundstücke ein. Im Kaufvertrag werden die Summe von 1.050 Thaler als Kaufpreis erwähnt und die Größenangabe von 1 5/12 Morgen Land angegeben., was einer damaligen Flächenmaßeinheit von 170 Ruthen, also etwa 3.700 Quadratmetern, entspricht. Zu erfahren ist auch, das zu dem Grundstück noch zwei Stücke Ackerland gehören und das Gebäude vollständig, jedoch ohne Mobiliar verkauft wurde. Darüber hinaus wurde die Redewendung „mit allem, was erd-, wand-, band-, niet- und nagelfest ist”, verwendet. Und auch andere Details wurden bereits klar formuliert, etwa wie die Vereinbarung, dass der Vorbesitzer noch das Recht der Aberntung der Früchte auf den Grundstücken erhielt. Sogar eine gütliche Einigung solle erzielt werden, das der neue Käufer Backhaus dem Vorbesitzer Heinrich Schrader seinen Aufwand an Düngung zur Verbesserunng des Ackerlandes noch zu Vergüten habe. Gebe es Zweifel über die Höhe, dann solle der Kirchenvorstand darüber entscheiden. Denn verkauft wurde das Pfarrwitwenhaus nicht zum ersten Mal von der Kirchengemeinde, bereits zwei Jahre zuvor wurde ein Vertrag mit dem Negenborner Kötener Heinrich Schrader verkauft, der am Ende rückgängig gemacht werden musste, weil er die vereinbarte Kaufsumme nicht hatte aufbringen können. Im beiderseitigen Übereinkommen wurde deshalb der Vertrag wieder aufgelöst. Wie Frank Foerster erläuterte, war es vor allem in der Region üblich, ein Pfarrwitwenhaus für die Kirchengemeinden zu haben, damit im Falle eines Ablebens des Pastors dessen Ehefrau versorgt werden konnte: „Das Brelilnger Haus wurde aber nur selten nach seiner Bestimmung genutzt”, konnte er herausfinden. Im Laufe von 300 Jahren wurde es nach der Ortschronik nur dreimal von Witwen der ortsansässigen Pastoren bewohnt: Im 17 Jahrhundert wohnte won 1670 bis 1694 die Witwe des Predigers Hinrich Niemann im alten Gebäudes, es wurde 1714 durch den heute noch bestehenden Neubau ersetzt, Von 1728 bis 1746 bewohnte die Witwe des Pfarrers Franz Müller und von 1809 bis 1816 die Witwe des Pfarrers Gottlieb Holscher das Anwesen. In der Zwischenzeit war es unter einigen Leerstand immer wieder vermietet worden. Das hat sich mit dem Ankauf durch die Familie Backhaus geändert, die seitdem durchgehend auf der Hofstelle 54, „Witten-Backhus” ansässig ist und hier bis heute ihre Landschlachterei betreibt,

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