Thema der Woche

Leserbrief zum Thema „Bissendorfer Ladenzeile soll abgerissen werden“ „Wohlfühlgemeinde – für wen?

Im WedeMagazin vom 23. Dezember wurde über die Planungen zur völligen Neugestaltung des Ortskernes in Bissendorf berichtet, die durch einen Investor erfolgen werde. Offensichtlich hat dieser, da es der Gemeinde an einer Gestaltungs- und Baumschutzsatzung mangelt, relativ freie Hand bei der Gestaltung seines neuen Eigentums. Weiter heißt es im WedeMagazin: „Die imposante orts­prägende Eiche auf der Zufahrt zwischen der Bäckerei Bosselmann und dem Haus Am Markt 8 könnte den Bauarbeiten zum Opfer fallen“. Spätestens jetzt müssten bei den Bürgervertretern der „Wohlfühlgemeinde“ die Alarmglocken schrillen; denn der Verlust dieses mehrere Jahrhunderte alten Kultur- und Naturdenkmals würde den Wert der selbsternannten Wohlfühlgemeinde nachhaltig und irreversibel mindern. Der Gedanke, dass der Baum auf dem Altar des Profitdenkens geopfert werden könnte, ist, obwohl er in die Zeit zu passen scheint, unerträglich. Und was noch schlimmer klingt, sind die der Ortsbürgermeisterin zugeschriebenen Worte: „Wenn der Baum trotz Bauarbeiten glaubhaft geschützt werden kann, soll er bleiben. Ist die Wahrscheinlichkeit aber groß, dass er wie der Baum in Wennebostel Schaden nimmt, ziehe ich eine ordentliche Neubepflanzung auch mit größeren Bäumen dem Erhalt der alten Eiche vor“. Das klingt stark nach vorauseilender Resignation. Nach dieser Diktion hat der Neubau und der Profitgedanke absolute Priorität – und nur im Vertrauen auf die Großzügigkeit des Investors und glückliche Umstände könnte der Baum erhalten werden. Was über Jahrhunderte von Bürgern erhalten, gepflegt und wertgeschätzt wurde, wird nun aller Voraussicht nach früher oder später dem Neubau einer Tiefgarage zum Opfer fallen. Was für ein Werteverfall in einer Gemeinde, die ausgerechnet die Eiche in ihrem Wappen führt! Für mich entwickeln sich daraus zwei Szenarien. Szenario 1: Ein herbeigezaubertes Gutachten wird dem Baum in Kürze die Standunsicherheit bescheinigen (Bürgerschutz!) und der „Rückbau“ wird in einer Nacht- und Nebel-Aktion und ganz ohne Gegenwehr erfolgen. Szenario 2: Der Baum wird zunächst demonstrativ geschützt, während ihm durch den Bau von Tiefgaragen in wurzelzerstörender Nähe und durch die notwendige Bauabsicherung im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben wird. Und Monate später wird man dem kränkelnden Baum mangelnde Standfestigkeit attestieren und ihn abholzen, um ihn vielleicht durch ein paar dürre Nachfolger zu ersetzen. Das alles erinnert an die Glanzleistung eines Supermarktbetreibers in Bissendorf, der alte und ortsprägende Bausubstanz in Parkraum für den Konsumtempel verwandelte und als Äquivalent ein kümmerliches Mäuerchen hinterließ. Ich fühle mich nur in einer Gemeinde wohl, der es gelingt, die Bürgerinteressen nachhaltig gegenüber den Einzelinteressen von Investoren zu schützen. Heißt es doch in Artikel 14(2) des Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, so sieht die Realität oft anders aus. Wir dürfen gespannt sein, ob es den Bürgervertretern der „Wohlfühlgemeinde“ gelingen wird, das Bürgerinteresse robust und nachhaltig zu vertreten. Aber vielleicht kommt alles ja ganz anders, und der Investor unterlässt zuverlässig alles, was dem Baum Schaden zufügen könnte. Dr. Michael Loewener, Wedemark

mehr zeigen

dazu passende Artikel