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Geschichtlicher Lückenschluss von 1930 bis 1955

Helge Zychlinski, Christian Bruns und Franz Rainer Enste (v.l.n.r) präsentieren stolz die nun fachgerecht archivierten historischen Akten im Keller des Rathauses. Foto: S. Littkemann
Helge Zychlinski, Christian Bruns und Franz Rainer Enste (v.l.n.r) präsentieren stolz die nun fachgerecht archivierten historischen Akten im Keller des Rathauses. Foto: S. Littkemann

Wedemark (lit). Was ist in der Zeit von etwa 1930 bis 1955 in der Wedemark passiert? Auf diese Frage soll ein von Bürgermeister Helge Zychlinski initiiertes wissenschaftliches Projekt Antworten finden. „Mit der Aufarbeitung dieser Zeit wollen wir einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten und Geschichte für die heutigen Wedemärker greifbarer machen“. „Niemand in der Gemeinde hat sich bislang um dieses Thema gekümmert und das wollen wir jetzt ändern“, erklärte Jurist Dr. Franz Rainer Enste aus Brelingen, der das Projekt begleitet und koordiniert. Weder vor 1974 (als die 16 Ortsteile per Gebietsreform zur heutigen Gemeinde Wedemark zusammen gefasst wurden, Anm. der Red.) noch danach habe es ein Interesse gegeben, die jüngere Geschichte systematisch zu dokumentieren oder ein ordentliches Archiv anzulegen. Die offizielle Aktenlage sei dürftig, viele Dokumente aus dieser Zeit würden sicher noch in privaten Haushalten auf Dachböden oder in staubigen Kartons vor sich hin schlummern. „Gerade aus den kleinen Dörfern sind nur wenige Akten zurück gekommen“, erklärte Zychlinski. Am Sichten und Zusammentragen wertvoller Zeitdokumente sollen sich deshalb nicht nur Fachleute, sondern auch die Bürger aus der Wedemark beteiligen. „Wer bei sich zuhause irgendetwas findet – zum Beispiel Eheschließungsurkunden, Sitzungsprotokolle oder Baugenehmigungen – möge sich bitte damit an Christian Bruns im Rathaus wenden!“ ruft der Bürgermeister die Wedemärker auf (Kontakt: Christian Bruns, Telefon: 58 12 30). „Wichtig für dieses Projekt ist die wissenschaftliche Begleitung“, betonten Enste und Zychlinski. Das Thema sei sensibel und müsse professionell angegangen werden, um Fehler zu vermeiden. „Die Aufarbeitung muss belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse liefern“, sagte der Bürgermeister. Für den wissenschaftlichen Part habe man unter anderem den Historiker Martin Stöber vom Niedersächsischen Institut für Historische Regionalforschung aus Hannover gewinnen können – „ein absoluter Experte auf dem Gebiet“, wie Enste versicherte. Bis zum Jahresende will der Regionalhistoriker die Ergebnisse seiner umfangreichen Archivrecherchen vorlegen können. Mit im Boot sind auch der Arbeitskreis Regionalgeschichte aus Neustadt und die Historische Arbeitsgemeinschaft Wedemark, die unter anderem eine Liste von Zeitzeugen erstellen soll. Denn das Führen von Interviews ist ein weiterer Schwerpunkt des Projektes, bei dem auch die Gedenkstätte Ahlem und das Gymnasium Mellendorf eingebunden sind. Dazu sollen sich Mitglieder des Arbeitskreises und Schülerinnen und Schüler in der Gedenkstätte Ahlem zunächst in einer besonderen Technik der Zeitzeugenbefragung schulen lassen. „Dafür wird es höchste Zeit, denn die noch lebenden Zeitzeugen können wir in der Wedemark bald an einer Hand abzählen“, vermutete Enste, der sich von den Interviews weitere Einblicke in die Lebensverhältnisse in der damals sehr ländlich geprägten Wedemark verspricht. „Was am Ende des Projektes heraus kommt, ist noch völlig offen und hängt von den Ergebnissen ab“, sagte der Bürgermeister. Das könne ein kommunales Archiv, eine Ausstellung oder sogar ein Buch sein. Schon jetzt aber seien die ersten Ergebnisse beeindruckend, schätzte Enste. So sei etwa im Zuge der Vorrecherchen ein Zwangsarbeitergrab auf dem Friedhof in Elze identifiziert worden.

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